von Prof. Dr. Felix Weidinger (Gewinner YRA 2024)

Car-Sharing wird häufig als eine wichtige Brückentechnologie in eine nachhaltigere individuelle Mobilität gesehen. Schätzungen zufolge ersetzt in Deutschland ein Pkw in einem Car-Sharing-Angebot abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren zwischen drei und zehn privat besessene Pkw (Umweltbundesamt, 2024); Branchenschätzungen sprechen sogar von bis zu zwanzig ersetzen privaten Pkw (Bundesverband Carsharing, 2024).  Dennoch ringen viele Car-Sharing-Anbieter weltweit um den Fortbestand ihrer Car-Sharing-Systeme. Selbst Branchengrößen im Automobilsektor, wie Mercedes-Benz, BMW und General Motors, beendeten vor einigen Jahren ihr Engagement in diesem Bereich, da sie nicht in der Lage waren, die Dienste profitabel zu betreiben (vgl. Wayland, 2020, Hubik, 2022).

Wo und wie Nachfrage auf Angebot trifft

Dreh- und Angelpunkt vieler Car-Sharing-Systeme ist hierbei eine App, welche Nachfrage und Angebot zusammenführt. Im klassischen Fall, welcher heute größtenteils implementiert ist, werden dabei Kundinnen und Kunden alle verfügbaren Fahrzeuge angezeigt und diese wählen selbstständig das Fahrzeug, welches sie buchen möchten (siehe Abbildung 1, links). Diese Buchungsstrategie erlaubt es nicht, Angebot, namentlich die verfügbaren Pkw, und Nachfrage, die Buchungsanfragen, in optimierter Weise zu matchen. Um dies zu bewerkstelligen, wäre eine Anpassung des Buchungsprozesses nötig, der es den Nutzenden noch immer erlaubt, alle relevanten und nachfragespezifischen Daten anzugeben, wie etwa den aktuellen Standort, die maximale Länge des Fußwegs zum Pkw, ein Intervall mit möglichen Startzeiten der Buchung, die Buchungsdauer sowie den finalen Rückgabeort des Pkw. Basierend auf diesen Daten können Buchungsanfragen in einer zentralen Buchungsplattform zusammengetragen werden, sodass eine zentralisierte und damit auch optimierte Zuordnung von Anfragen und verfügbaren Pkw durchgeführt werden kann. Die Studie von Weidinger et. al (2023) untersucht das Potenzial eines solchen zentralen, optimierten Ansatzes.

Abbildung 1: Klassisches App-Layout (links) vs. vorgeschlagenes App-Layout (rechts).
Entnommen aus Weidinger et. al (2023).

Potenzial des zentralen Matchings

Ziel des zentralen Matchings, in Sinne einer Zuweisung von Pkw zu nachgefragten Fahrten, ist es, den Umsatz und/oder die Kundenzufriedenheit zu maximieren beziehungsweise Kosten zu minimieren und dabei ein gegebenes Servicelevel einzuhalten. Tests auf künstlichen sowie realweltlichen Daten zeigen dabei das enorme Potenzial einer Optimierung des Buchungsprozesses. Im Mittel konnte der Umsatz in der Rechenstudie auf künstlichen Nachfragedaten um ca. 60 % erhöht werden. Auf der anderen Seite konnte auf realweltlichen, historischen Daten für Car-Sharing Systeme in München gezeigt werden, dass eine signifikante Einsparung der Flottengröße bei gleichbleibender Servicequalität, also derselben bedienten Nachfrage, möglich wird.

Obwohl ein Großteil des Optimierungspotenzials davon abhängt (zukünftige) Nachfragen zu zulässigen Nachfrage-Ketten zu verbinden und diese genau einem Pkw zuzuweisen, zeigt sich der Optimierungsansatz für moderate Turbulenzen in der Nachfrage, wie verspäteten Rückgaben oder nicht erschienenen Kundinnen und Kunden, überaus robust. Für extrem lange oder sehr häufige Verspätungen erweist sich – naturgemäß – der aktuell praktizierte Ansatz, welcher lediglich verfügbare Fahrzeuge zur Auswahl stellt, als stabiler, solange keine Strafzahlungen für Verspätungen eingerechnet werden. Dieser, das sei erneut in Erinnerung gerufen, geht jedoch mit unrentablen Car-Sharing-Systemen einher.

Zusammenfassend zeigt die Studie von Weidinger et al. (2023), welch enormes Optimierungspotenzial noch in aktuell verfügbaren Car-Sharing Systemen steckt und dass eine Anpassung der Prozesse, auch wenn diese mit einer leicht veränderten Buchungserfahrung der Kundinnen und Kunden einhergeht, den Schlüssel zum (finanziellen) Erfolg von Car-Sharing Systemen darstellen könnte.

Literatur:

  • Bundesverband Carsharing (2024): Carsharing ist umweltfreundlich: Ein Carsharing-Fahrzeug ersetzt bis zu 20 private Pkw, online: https://carsharing.de/carsharing-fahrzeug-ersetzt-zu-20-private-pkw
  • Hubik, F. (2022): Abschied vom Carsharing: Warum BMW und Mercedes Share Now an Stellantis verkaufen, Handelsblatt, online: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/share-now-abschied-vom-carsharing-warum-bmw-und-mercedes-share-now-an-stellantis-verkaufen/28297794.html
  • Umweltbundesamt (2024): Mobilität privater Haushalte , online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/mobilitaet-privater-haushalte#mobilitat-carsharing
  • Wayland, M. (2020): General Motors shutting down Maven car-sharing operations, CNBC, online: https://www.cnbc.com/2020/04/21/general-motors-shutting-down-maven-car-sharing-operations.html
  • Weidinger, F.; Albiński, S.; Boysen, N. (2023): Matching supply and demand for free-floating car sharing: On the value of optimization. European Journal of Operational Research, 308(3), 1380-1395.

Autor:

Felix Weidinger
Technische Universität Darmstadt
Hochschulstr. 1
64289 Darmstadt
felix.weidinger@tu-darmstadt.de