von Asst. Prof. Philine Schiewe (Gewinnerin YRA 2024)
Paketlieferungen sind für viele schon lange ein Teil des Alltags und die damit verbundenen Lieferfahrzeuge sind aus dem heutigen Stadtbild kaum noch wegzudenken. Durch das hohe Paketvolumen trägt die Zustellung von Paketen auf der letzten Meile allerdings erheblich zu Staus und Umweltbelastungen in städtischen Bereichen bei. Daher ist es notwendig, traditionelle, dieselbetriebene Lieferfahrzeuge durch umweltfreundlichere Alternativen zu ergänzen. In den letzten Jahren sind dafür verschiedene Strategien vorgeschlagen worden. Zum Beispiel werden in Zwei-Stufen-Verfahren Pakete von Lieferfahrzeugen zunächst zu Mini-Depots im Stadtgebiet gebracht und von dort mit Hilfe von kleinen, möglicherweise autonomen, Fahrzeugen zu den Empfängern transportiert. Eine weiterer Vorschlag besteht darin, Drohnen in den Auslieferungsfahrzeugen zu transportieren, die einzelne Empfänger beliefern können. Allerdings haben beide Strategien entscheidende Nachteile. Die Standortwahl und der Bau von Mini-Depots sind oft von politischen Faktoren beeinflusst und stationäre Mini-Depots sind wenig robust gegenüber Änderungen in der Nachfrage. Auch der Einsatz von Drohnen in urbanen Gebieten ist regulatorisch eingeschränkt. Zusätzlich sind die Transportkapazität von Drohnen und deren Reichweite beschränkt, so dass Drohnen oft nur ein Paket transportieren und sich nicht weit von dem Lieferfahrzeug entfernen können.
In [1] wird eine weitere Variante vorgestellt, die zwei bereits etablierte Auslieferungsverfahren kombiniert. Durch eine gemeinsame Tourenplanung können Lieferungen sowohl von traditionellen Lieferfahrzeugen als auch von Lastenfahrrädern übernommen werden. Lastenfahrräder haben gegenüber Drohnen den Vorteil, dass sie deutlich mehr Pakete transportieren können. Zudem können sie bestehende Fahrradinfrastruktur nutzen und damit Staus im Straßenverkehr umgehen. Allerdings können Lastenfahrräder nicht im Lieferfahrzeug transportiert werden, sondern fahren eine eigenständige Route. Um den Bau von Mini-Depots zu vermeiden, treffen sie unterwegs ein Lieferfahrzeug zum Beladen, das somit als mobiles Mini-Depot dient und zudem selbst Empfänger beliefert.
Um die gemeinsame Tourenplanung für beide Fahrzeugtypen zu optimieren, wird das Routingproblem als gemischt-ganzzahliges Programm modelliert. Das entwickelte Model ist flexibel und kann verschiedene Zielfunktionen abbilden sowie die Routen für mehrere Lastenräder simultan bestimmen. Das gemischt-ganzzahlige Programm kann Instanzen mit bis zu 20 Empfängern innerhalb von drei Stunden zur Optimalität lösen. Um größere Instanzen lösen zu können, wurden mehrere heuristische Lösungsverfahren entwickelt, basierend auf Clustering, Savings und Reinforcement Learning. Eine Rechenstudie mit bis zu 250 Empfängern in Wuppertal und Münster zeigt, dass die heuristischen Verfahren für realistische Instanzen eingesetzt werden können. Das Einsparungspotential hängt allerdings stark von der Struktur der Stadt und insbesondere der Fahrradinfrastruktur ab. Vor allem in der als fahrradfreundlichen bekannten Stadt Münster kann durch die gemeinsame Tourenplanung von Lastenfahrrädern und Lieferfahrzeugen der Einsatz von Lieferfahrzeugen deutlich reduziert werden.
Besonderer Dank gilt meinem Co-Autor Moritz Stinzendörfer.
[1] Schiewe, P., Stinzendörfer, M. Optimizing combined tours: The truck-and-cargo-bike case. OR Spectrum 46, 545–587 (2024). https://doi.org/10.1007/s00291-024-00754-2
Zusätzliche Informationen:
- Autorin: Asst. Prof. Philine Schiewe, Aalto University
- Adresse: Otakaari 1, 02150 Espoo, Finnland
- Telefon: +358503001206
- E-Mail: philine.schiewe@aalto.fi
(Die Graphiken wurden von mir für den Vortrag erstellt.)