Verleihung der Diplom- und Masterarbeitspreise 2008

von CHRISTIAN BIERWIRTH, HALLE

Der Diplom- und Masterarbeitspreis 2008 der GOR wurde am 3. September im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung der Jahrestagung in Augsburg verliehen. Auch in diesem Jahr wurde der Preis von der GAMS Software GmbH, Köln gefördert, der dafür an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Es wurden 14 Arbeiten für die Vergabe des Preises vorgeschlagen, die alle in Bezug auf ihre Qualität sehr bemerkenswert sind. Die eingereichten Arbeiten behandeln zudem ein breites Spektrum von theoretischen, methodischen und anwendungsorientierten Themen des Operations Research. Umso schwieriger war es für die Jurymitglieder Petra Huhn (Clausthal), Michael Bussieck (Köln), Rainer Souren (Ilmenau) und Christian Bierwirth (Halle), zu einem der Breite und Qualität gleichermaßen gerecht werdenden Ergebnis zu gelangen.

In diesem Jahr wurden drei Arbeiten ausgezeichnet:

  • Dipl.-Wirtsch.-Inf. Bastian Amberg und Dipl.-Wirtsch.-Inf. Boris Amberg: Integrierte Umlauf- und Dienstplanung: Modellvariationen und praktische Anforderungen. (Betreuerin: Jun.-Prof. Dr. Natalia Kliewer, Universität Paderborn)
  • Dipl.-Math. Wiebke Höhn: Flowshop-Scheduling in der Stahlindustrie: Makespan- vs. Strangabrissminimierung. (Betreuer: Prof. Dr. Rolf H. Möhring, Techn. Universität Berlin)
  • Dipl.-Oec. Nils Löhndorf: On the Interplay of Manufacturing and Labor Flexibility in Production Networks. (Betreuer: Prof. Dr. Stefan Minner, Universität Mannheim)

Foto_Diplpreis2008

Die gemeinsame Diplomarbeit von Bastian und Boris Amberg behandelt die integrierte Lösung des Fahrzeugumlauf- und Dienstplanungsproblems im öffentlichen Personennahverkehr. Für die Lösung des MDVCSP (Multi-Depot Vehicle and Crew Scheduling Problem) durch ein Column-Generation Verfahren wird ein Pricing-Problem vorgeschlagen, welches auf einem Time-Space Netzwerkmodell der eingehenden Dienstelemente basiert. Hierdurch können zahlreiche, in der Praxis einzuhaltende Dienstregeln abgebildet und in der Planung berücksichtigt werden. Mittels einer heuristischen Variante des Verfahrens werden Probleminstanzen mit 4 Fahrzeugdepots und bis zu 800 Servicefahrten nahezu optimal gelöst. Der Ansatz wurde in Kooperation mit einem Verkehrsunternehmen auch an Praxisproblemen getestet, wobei für bestehende Dienstpläne ein Einsparpotenzial in Höhe von 4% bis 5% der benötigten Dienste und Fahrzeuge nachgewiesen werden konnte. Die Arbeit überzeugt gleichermaßen durch den hohen Innovationsgrad der gewählten Modellierungsansätze und eingesetzten Methoden als auch durch ihren starken Praxisbezug.

Mit Ablaufplanungsproblemen in der Stahlproduktion bearbeitet die Diplomarbeit von Frau Wiebke Höhn ein klassisches Thema des Operations Research. Im Unterschied zur bestehenden Literatur, die überwiegend auf Minimum-Makespan Flowshop Probleme ausgerichtet ist, wird eine neue Zielsetzung, nämlich die Minimierung der Strangabrisse auf der letzten Maschine, der so genannten Stranggussanlage, betrachtet. Für dieses spezielle Flowshop Problem wird eine Reihe von komplexitätstheoretischen Resultaten erarbeitet. Hierzu zählen Approximationsalgorithmen mit konstanter Güteabschätzung für bestimmte Problemvarianten im Einmaschinenfall sowie der Nachweis der Nicht-Approximierbarkeit im Fall von parallelen Maschinen bei mehr als zwei Produktionsstufen. Die Arbeit zeigt zudem eindrucksvoll die Zielindifferenz zwischen der Makespan- und der Strangabrissminimierung auf. Beide Ziele werden im Flowshop Modell mit Mindestabständen vereint, wobei für spezielle Wahlen des Mindestabstandes die jeweiligen Teilprobleme resultieren. Die Arbeit ist in vorbildlicher Weise in die bestehende Literatur zur Schedulingtheorie eingebettet und bereichert diese um einen neuen, interessanten Aspekt.

Die Diplomarbeit von Herrn Nils Löhndorf widmet sich der integrierten Personal- und Maschineneinsatzplanung in Produktionsnetzwerken. Im Fokus stehen verschiedene Formen der Personalflexibilisierung (Überstunden, Flextime, Personaltransfer), die in einem zweistufigen stochastischen Planungsansatz analysiert werden. Herr Löhndorf entwickelt hierfür drei unterschiedlich komplexe Modelle, die er umfangreichen Studien auf Basis eines Sample Average Approximation Lösungsansatzes unterzieht. Durch geschickte Parameterauswahl und -variation gelingt es ihm, Kernaussagen über die Eignung der Flexibilisierungsinstrumente in verschiedenen Planungssituationen zu treffen und zentrale Einflussgrößen auf ihre Erfolgswirkung herauszuarbeiten. Hierzu zählen insbesondere Saisonalitätseffekte, korrelierte Periodennachfragen und die Art der Netzwerkkonfiguration (Größe und Struktur). Da die Arbeit stets die realen ökonomischen und juristischen Prämissen im Auge behält, schafft sie es in beeindruckender Weise, personalwirtschaftliche Kausalaussagen durch Verfahren des Operations Research zu validieren.

Wir beglückwünschen die Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs!