OR 2013 in Rotterdam
von Marco Lubbecke, Aachen
Noch im Zug von Rotterdam nach Hause muss ich meiner Begeisterung und der vieler Kolleginnen und Kollegen Luft machen und beginne, diese Zeilen zu schreiben. Die Jahrestagung der GOR wurde 2013 gemeinsam mit der NGB, der niederländischen Gesellschaft für Operations Research, in Rotterdam ausgerichtet. Wie üblich war die erste Septemberwoche (3.-6.9.) im Kalender hierführ rot angestrichen. Und, wie fast schon abonniert, war auch auf das Wetter Verlass: Rotterdam empfing seine Gäste in strahlendem Sonnenschein. Zur ersten Erfrischung trafen sich die Teilnehmenden am Vorabend im Atlanta Hotel bei kühlen Getränken und Snacks. Die Gelegenheit, einen heiteren Abend mit langjährigen Freunden und neuen Gesichtern zu verbringen ließen sich viele nicht nehmen.
Die Tagung war mit »Impact on People, Business and Society« überschrieben, einem Thema, das dem Operations Research nur so auf den Leib geschneidert ist. Die Organisatoren, unter dem Vorsitz von Dennis Huisman und Albert Wagelmans, haben damit das Leitmotiv »Impact« des 100-jährigen Jubiläums der Erasmus Universität aufgegriffen, die Ausrichterin war. Da die Räumlichkeiten der Universität wegen der Feierlichkeiten nicht zur Verfügung standen, wurden wir in das moderne, zentral gelegene World Trade Center eingeladen, das sich als wunderbarer Tagungsort entpuppte.
In der von Albert Wagelmans geleiteten Eröffnungsveranstaltung wurden zunächst besondere Leistungen geehrt. Neben den Preisen für hervorragende Abschlussarbeiten ist der nur alle zwei Jahre vergebene GOR-Wissenschaftspreis zu nennen. Mit diesem wurde der geschätzte Kollege Karl Inderfurth (Magdeburg) ausgezeichnet. Zusätzlich wurden zwei neue Preise, passend zum Konferenzthema verliehen: dem jungen Teilnehmenden mit dem größten akademischen Impact (Timo Berthold, Berlin) und der jungen Teilnehmenden mit dem größten Impact in der Praxis (Mariel Lavieri,Michigan).
Ein weiterer Höhepunkt war der erste Plenarvortrag. Es gibt sicher nicht viele Redner, die es wie Alexander Rinnooy Kan (Amsterdam) verstehen, ihr Publikum ganz ohne Folien in ihren Bann zu ziehen. Seiner eingänglichen Ermunterung ihm nicht zuzuhören ist das Auditorium daher nicht gefolgt. Die Frage seines Vortrags, wie Praktiker auszubilden seien, gab zahlreiche Anregungen für die akademische und nach-akademische Lehre.
Für das wissenschaftliche Programm gab es allenthaben sehr viel Lob. Die etwa 500 Teilnehmenden konnten sich auf über 360 Vorträge freuen. Diese waren in 18 Streams organisiert, die ein breites Spektrum von Theorie und Praxis des Operations Research abdeckten und die Auswahl nicht leicht machten. Dies galt insbesondere für die zwölf Semiplenar-Vortäge, von denen viele Teilnehmende sicherlich gerne alle zwölf gehört hätten. Die Sprecher sind nur ein Beleg für die Internationalität der Tagung:
- Miguel Anjos (Kanada), »Semidefinite relaxations: The cutting edge«
- Fred Espen Benth (Norwegen), »Weather, risk and energy markets«
- Rommert Dekker (Niederlande), »Maritime transportation sails on the waves of OR«
- Erik Demeulemeester (Belgien), »Robust project scheduling«
- Dick den Hertog (Niederlande), »Practical robust optimization: an introduction«
- Leo Kroon (Niederlande), »Public transport: planning and real-time control«
- Nelly Litvak (Niederlande), »Algorithms for web graphs – can we handle big data?«
- Andrea Lodi (Italien), »Performance variability in mixed-integer programming«
- Kalyan Talluri (Spanien), »Research trends in dynamic pricing and revenue management«
- Horst Tempelmeier (Deutschland), »Dynamic lot sizing with random demand«
- Stein W. Wallace (Norwegen), »Stochastic programming: Do we really need it?«
- Henk Zijm (Niederlande), »The European roadmap on logistics and supply chain research«
Ein besonders herausragender Programmpunkt war eine als »Roundtable Discussion« angekündigte Plenarveranstaltung, die von Marc Salomon (Amsterdam) moderiert wurde. Drei Kunden des Hauptsponsors Ortec waren geladen, um über Erfolge undHerausforderungen beim Einsatz von Operations Research in ihren Unternehmen zu berichten. Die Vortragenden waren Pieter Bootsma (KLM), Luke Disney (North Star Alliance) und Wim Fabries (Niederländische Eisenbahn). Erfreulicherweise stellten diese dann acuh die Inhalte in den Mittelpunkt ihrer Herausforderungen beim Einsatz von Operations Research in ihren Unternehmen zu berichten. Die Vortragenden waren Pieter Bootsma (KLM), Luke Disney (North Star Alliance) und Wim Fabries (Niederländische Eisenbahn). Erfreulicherweise stellten diese dann auch die Inhalte in den Mittelpunkt ihrer Präsentationen und zeigten eindrucksvoll, was mit OR-Methoden machbar ist und was ohne sie nicht ginge. Jeder der drei führte einen Film vor, von dem sich sicher der eine oder andere fortan in OR-Vorlesungen wiederfinden wird. Alles in allem eine sehr gut choreographierte Schau; das war OR vom Feinsten und eine wunderbare Werbung für unser Gebiet!
In einer Stadt wie Rotterdam, jüngst zur weltbesten Festival-Stadt gekürt, durfte es auch am sozialen Rahmenprogramm nicht fehlen. Beim Empfang durch die Stadt am Mittwoch im denkmalgeschützten Rathaus bot sich abermals Gelegenheit zum wissenschaftlichen, aber natürlich auch zum nicht-wissenschaftlichen Austausch in angenehmer Atmosphäre. Das Konferenzdinner am Donnerstag fand statt auf einer Fahrt des historischen Schaufelraddampfers »Ihre Majestät«, und dies an einem lauen Sommerabend, der auch zu Mittelmeergewässern gepasst hätte. Die Teilnehmenden hatten bei einem Buffet in der Dämmerung Gelegenheit, in das Weltkulturerbe aufgenommene Wahrzeichen Hollands zu sehen: Tulpen? Nein, Windmühlen! Auf reges Interesse stieß auch eine ausgebuchte Tour zum und durch das ECT Delta Containerterminal, nicht zuletzt, weil sich hier sehr Sehenswertes mit Wissenschaftlichem verband.
Apropos soziale Aktivitäten. Ein Ort angeregter Diskussionen war die lichtdurchflutete Haupthalle des World Trade Centers, wo der Tag begann und endete und man sich zwischen den Vorträgen traf. Dass nicht nur die Kaffeepausen dort stattfanden, sondern auch über Mittag ein typisch niederländischer Imbiss angeboten wurde, war der »Disziplin« sicher zuträglich: die Teilnehmenden blieben stets in großer Zahl am Konferenzort, was sich angenehm in gut besuchten Vorträgen niederschlug. Die räumliche Nähe zu den Teilnehmenden ist auch den Ausstellern angenehm aufgefallen.
An dieser Stelle sei den Organisatoren, allen voran Dennis Huisman und Albert Wagelmans, im Namen aller Teilnehmenden noch einmal ganz herzlich für eine Jahrestagung gedankt, für die viele nur ein Wort fanden: perfekt. Durch die liebevolle Organisation entstand eine Leichtigkeit, durch die die Tagung als Arbeitsort überhaupt erst spürbar wurde, als sie leider viel zu schnell zu Ende war.
Zum Abschluss gab es als weiteren Höhepunkt in der ebenfalls von Albert Wagelmans geleiteten Schlusszeremonie den Plenarvortrag von Steve Sashihara (Princeton). Er berichtete aus seinem gerade auch außerhalb der akademischen Welt viel beachteten Buch „The Optimization Edge“, in dem er Entscheidern den Nutzen der Optimierung greifbar macht. Das Fazit war klar: Operations Research kann in Unternehmen den entscheidenden kompetitiven Vorteil ausmachen. Dieser Schlussvortrag war eine fantastische Überleitung auf das Thema der Jahrestagung im kommenden Jahr in Aachen, die sich »Business Analytics and Optimization« auf die Fahne schreibt. Ich freue mich darauf, Sie und Euch alle auf der OR2014 wiederzusehen. Aktuelle Informationen finden sich unter www.or2014.de und auf Twitter @or2014de.