Verleihung des Dissertationspreises 2008
von HANS-ULRICH KÜPPER, MÜNCHEN
Fünfzehn Einreichungen für den Dissertationspreis, davon acht aus dem Bereich der BWL, zeugen von der zunehmenden Attraktivität dieser Auszeichnung. Sie wurde auch in diesem Jahr wieder von der SAP AG, Walldorf gefördert, wofür die GOR sich vielmals bedankt. Da alle Arbeiten von höchster wissenschaftlicher Qualität waren, hatte die fundiert und effizient arbeitende Jury keine leichte Aufgabe zu lösen. Letztlich entschloss sie sich dazu, in diesem Jahr sogar fünf Arbeiten zu prämieren, was die GOR freundlicherweise mit einer finanziellen Aufstockung unterstützte. Im Unterschied zum Vorjahr, in dem drei Preisträgerinnen ausgezeichnet werden konnten, gab es in diesem Jahr nur männliche Bewerber – gewissermaßen zum Ausgleich gegenüber 2007.
Dr. Tobias Achterberg erhielt den Preis für seine Arbeit über »Constraint Integer Programming«, die unter der Betreuung durch Prof. Martin Grötschel während seiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Konrad-Zuse-Institut in Berlin entstand. In ihr hat er ein Lösungsverfahren entwickelt, in dem er das constraint programming mit der gemischt-ganzzahligen Programmierung integriert. Die hierdurch erreichbaren Vorteile für die Praxis konnten durch zahlreiche Tests belegt werden.
Aus einer Zusammenarbeit mit BMW entwickelte sich die Dissertation »Modellgestützte strategische Planung von Produktionssystemen in der Automobilindustrie. Ein flexibler Planungsansatz für die Fahrzeughauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang« von Dr. Markus Bundschuh. Sie wurde von Prof. Bernhard Fleischmann von der (diesmal gastgebenden) Universität Augsburg betreut. Ihr Kern ist ein Modell, mit dem die strategische Planung in der Automobilindustrie mit einem hohen Grad an Flexibilität unterstützt werden kann. An ihm wird unmittelbar und in beeindruckender Weise gezeigt, wie leistungsfähig die Methoden des OR zur Lösung wichtiger praktischer Probleme genutzt werden können.
Noch stärker in rein ökonomische und theoretische Fragen geht die Schrift »Portfolios of Real Options« von Dr. Rainer Brosch, der bei Prof. Arnd Huchzermeier an der WHU Vallendar als Assistent tätig war und im Rahmen seines Projekts auch mit Prof. Lenos Trigeorgis, einem Vater der Realoptionstheorie, an der Universität von Cypern zusammenarbeitete. Er überträgt Erkenntnisse der modernen Finanzierungstheorie auf pfadabhängige Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, indem er diese als Realoptionen unter beschränkten Ressourcen behandelt. Sein als stochastisches Programm formuliertes Modell vermittelt insbesondere neue Einsichten in Portfolioeffekte von Investitionen.
Dr. Florian Jaehn hat seine Dissertation »Robust Flight Gate Assignment« als Mitarbeiter bei Prof. Erwin Pesch an der Universität Siegen verfasst. In ihr konnte er einen Weg aufzeigen, das äußerst komplexe Problem der Zuordnung von Flugzeugen zu Flugsteigen wesentlich leichter und besser zu lösen, indem er es auf ein Cliquen-Partitionierungsproblem reduziert. Anhand von Praxisdaten aus zehn verschiedenen Großflughäfen in Amerika, Asien und Europa konnte er die Leistungsfähigkeit des Verfahrens eindrücklich belegen.
An der Technischen Universität Berlin, betreut von Prof. Rolf Möhring, hat Dr. Martin Oellrich seine Arbeit über »Disjunkte Pfadprobleme mit minimalen Kosten« verfasst. Die von ihm behandelten Probleme treten in vielfältigen praktischen Zusammenhängen insbesondere der Telekommunikation und bei der automatischen Fahrzeugführung auf. Über die Einführung einer neuen Modellierungstechnik namens Bogenabhängigkeiten schuf Herr Oellrich ein Instrument, durch das die Arbeit der Planer wesentlich vereinfacht wird, ohne die für die Sicherheit benötigten Informationen zu verlieren.
Wie auf früheren Tagungen haben alle fünf Preisträger die Ergebnisse ihrer Arbeiten in erfrischender und überzeugender Weise vorgestellt, diesmal nicht parallel, sondern nacheinander in einer eigens für sie eingerichteten Sektion. Deren überraschend guter Besuch und die hohe Aufmerksamkeit sowie Diskussionsbereitschaft ihrer Teilnehmer sind ein Zeichen dafür, wie wichtig der Dissertationspreis für die GOR ist. Sie setzt ihrer Tagung ein optimistisch stimmendes Licht auf, weil sie dokumentiert, mit welcher Freude und welchem Erfolg junge Leute mit den Methoden des OR zu neuen Lösungen und Erkenntnissen vordringen