Verleihung der Diplom- und Masterarbeitspreise 2005

von ARMIN SCHOLL, JENA

Der diesjährige Diplomarbeitspreis der GOR wurde am 7. September 2005 während der Eröffnungsveranstaltung der Tagung »OR 2005« in Bremen verliehen. Der Preis wird alljährlich für herausragende Diplomarbeiten aus dem Bereich des Operations Research (OR) ausgeschrieben.

Es wurden insgesamt elf Arbeiten aus ganz unterschiedlichen Anwendungs- und OR-Teilgebieten eingereicht, die allesamt eine erfreulich hohe Qualität aufwiesen. Somit hatte die Jury, bestehend aus Stefan Nickel (Saarbrücken), Kai-Oliver Schocke (Degussa, Darmstadt) und Armin Scholl (Jena) die »Qual der Wahl«. Nach intensiver Begutachtung aller eingereichten Diplomarbeiten und sorgsamer Abwägung der Kriterien kristallisierten sich jedoch schließlich drei Arbeiten heraus, welche die übrigen in Bezug auf die betrachtete Thematik, die Wissenschaftlichkeit der Vorgehensweise, die erzielten methodischen und experimentellen Resultate, die Präzision und Fehlerfreiheit der Argumentation sowie die Art der Darstellung erkennbar übertrafen. Somit wurden diese Arbeiten – ohne eine Reihenfolge zu bilden – prämiert. Ihnen ist gemeinsam, dass sie interessante Praxisprobleme betrachten, diese auf anspruchsvolle Weise und gleichzeitig elegant modellieren und Lösungsansätze des OR auf geschickte und erfolgreiche Weise anwenden.

Es handelt sich um die folgenden Diplomarbeiten:

  • Markus Bundschuh: Messung und Bewertung des Entwicklungsstands von Produktoptionen im Serienanlauf der Automobilindustrie
    (Technische Universität Darmstadt, Erstgutachter: Prof. Dr. Hartmut Stadtler)
  • Julia Drechsel: Standortplanung von Einsatzkräften bei temporären und mobilen Großereignissen
    (Technische Universität Freiberg, Erstgutachter: Prof. Dr. Alf Kimms)
  • Susanne Hildebrand: Interaktive Montagelinienaustaktung in der Automobilindustrie
    (Universität Jena, Erstgutachter: Prof. Dr. Ingo Althöfer)

Die Diplomarbeit von Herrn Markus Bundschuh beschäftigt sich mit der Messung und der Bewertung des Entwicklungsstandes von Produktoptionen während des Serienanlaufs in der Automobilproduktion. Sie ist Bestandteil einer Kooperation von Prof. Stadtler mit einem großen deutschen Automobilhersteller. Die Arbeit ist sehr innovativ und dadurch charakterisiert, dass sie Modellierungs- und Lösungskonzepte aus verschiedenen Forschungsgebieten wie dem OR und der Informatik miteinander verbindet. Um den Entwicklungsstand von Produktoptionen systematisch messen und bewerten zu können, schlägt Bundschuh eine intelligente, regelbasierte Möglichkeit zur Modellierung der Produktstruktur vor, die es erlaubt, die bestehenden Abhängigkeiten effizient zu untersuchen. Ausgehend von einem detaillierten Vergleich existierender und neuer Maße, entwickelt Bundschuh einen auf einem Regelnetzwerk basierenden Algorithmus zur Bestimmung des Entwicklungsstatus der Produktoptionen. Die Anwendbarkeit des Konzeptes in der Praxis und die Effektivität der Methoden werden erfolgreich im Rahmen einer Simulationsuntersuchung belegt. Aus formaler Sicht erfüllt die Arbeit höchste Standards.

Frau Julia Drechsel behandelt in ihrer Diplomarbeit den eher ungewöhnlichen Anwendungsfall der Positionierung von Einsatzkräften (Sanitäter, Ordnungskräfte) bei temporären oder mobilen Großveranstaltungen wie Volksfesten, Demonstrationen oder Olympischen Spielen. Sie untersucht hierbei verschiedene Fragestellungen etwa in Bezug auf die Anzahl und Positionierung von Einsatzkräften im Veranstaltungsgelände, die Überdeckung der Einsatzfläche bei limitierter Anzahl an Einsatzkräften etc. Auf intelligente und elegante Weise werden Problemstrukturen und Modellierungsansätze aus verschiedenen Gebieten des OR auf die neuen Fragestellungen übertragen. Bei Rechenexperimenten anhand von Praxisdaten zeigt sich, dass die vorgeschlagenen Methoden zur Lösung der praktischen Probleme gut geeignet sind. Die Diplomarbeit ist druckreif verfasst und inhaltlich hervorragend abgegrenzt.

Frau Susanne Hildebrand beschäftigt sich mit der Erweiterung bisheriger Ansätze zur Fließbandabstimmung auf die besonderen Belange der Endmontage in der Automobilindustrie. In Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Automobilhersteller wurden zusätzlich zu beachtende Restriktionen identifiziert, die sich in der einschlägigen Literatur nicht finden. Frau Hildebrand erfasst, systematisiert und formalisiert die zusätzlichen Problemcharakteristika in vorbildlicher Weise. Die Modellierung des äußerst komplexen Praxisproblems als ganzzahliges lineares Optimierungsmodell erfordert weit gehende Modellierungsfähigkeiten, die Frau Hildebrand eindrucksvoll unter Beweis stellt. Zur Lösung des NP-schweren Problems entwickelt Frau Hildebrand vier Konstruktionsheuristiken, die in Java implementiert und an Praxisbeispielen erfolgreich getestet werden. Im Vergleich zu den bisher eingesetzten Plänen lassen sich signifikante Verbesserungen erzielen. Frau Hildebrand hat in ihrer vorbildlichen Arbeit gezeigt, dass echter Praxisbezug, formale Stringenz und eine ansprechende Implementierung sich nicht widersprechen müssen, sondern vielmehr ergänzen.