Verleihung der Diplom- und Masterarbeitspreise 2002

von RAINER KOLISCH, DARMSTADT

Für den Diplomarbeitspreis der GOR wurden im Jahr 2002 sieben Arbeiten eingereicht, die Probleme aus den Bereichen Produktion und Logistik, Marketing, Finanzierung sowie Gesundheitswesen behandelten. Die Jury, bestehend aus Katrin Schimmel von der KPMG in Berlin, Gerhard Reinelt vom Institut für Informatik an der Universität Heidelberg und Rainer Kolisch vom Institut für Betriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt, hat unter dem Vorsitz von Rainer Kolisch nach sorgfältiger Auswahl die drei folgenden Arbeiten prämiert.

Die erste Arbeit stammt von Frau Julia Almeder und trägt den Titel »Optimal Control of Methadone Treatment in Preventing Blood-Borne Disease«. Frau Julia Almeder wurde 1978 in Wien geboren und schloß dort ihre Schulzeit mit der Hochschulreife ab. Anschließend studierte sie Technische Mathematik an der TU Wien. Die prämierte Arbeit fertigte sie in der Abteilung für Ökonometrie, Operations Research und Systemtheorie unter der Betreuung von Herrn Gustav Feichtinger und Herrn Gernot Tragler an. Wichtige Voraussetzung für die Anfertigung der Arbeit waren die Numerische Mathematik, die Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen und die Optimale Kontrolltheorie.

Ausgangspunkt der Arbeit ist die Tatsache, daß Abhängige, die Suchtmittel intravenös zu sich nehmen, durch die mehrfache Verwendung von Injektionsnadeln dem Risiko ausgesetzt sind, an Hepatitis C oder HIV zu erkranken, da diese Krankheiten durch Blutkontakt übertragen werden. Eine Möglichkeit, die Verbreitung der Krankheiten zu unterbinden, ist die Verabreichung von Methadon. Methadon ist eine synthetische Substanz mit opiatähnlicher Wirkung. Es wird oral eingenommen und verhindert das Auftreten von Entzugssymptomen und somit indirekt die Verwendung gebrauchter Injektionsnadeln. Die Arbeit von Frau Almeder beschreibt vor diesem Hintergrund ein optimales Kontrollmodell, das die Auswirkung der Methadontherapie auf die Ausbreitung von Krankheiten analysiert. Das Ziel des Modells ist es, die optimale Strategie zu finden, welche die diskontierten Kosten, die sowohl aus der Bereitstellung von Methadon als auch durch neue Infektionen entstehen, minimiert. Basis dieser Arbeit bilden die Analysen von Pollack von der Universität von Michigan. Pollack hat die Wirkung eines Nadel-Austausch-Programms und eines Methadon-Programms für den stationären Fall untersucht. Die Arbeit von Frau Almeder erweitert die Forschung von Pollack, indem explizit der dynamische Fall, bei dem die Anzahl der in Behandlung befindlichen Süchtigen variiert werden kann, untersucht wird. Die Modellierung dieses Falls ergibt ein nichtlineares dynamisches Optimierungsproblem, das Frau Almeder in ihrer Arbeit mittels Optimaler Kontrolltheorie löst. Zwei wesentliche Ergebnisse der Arbeit sind die Erkenntnis, daß es in keinem Fall optimal ist, die Infektionen durch die Behandlung aller Abhängigen zu eliminieren und daß eine optimale dynamische Anpassung der Behandlungsplätze zu signifikant geringeren Kosten führt als jede Therapie mit konstanten Behandlungsplätzen.

Die zweite Arbeit wurde von Herrn Christian Strotmann angefertigt und trägt den Titel »Lokale Suchverfahren von Job-Shop Problemen mit Transportrobotern«. Herr Christian Strotmann wurde 1975 in Georgsmarienhütte geboren und erlangte die Hochschulreife in Osnabrück. Anschließend studierte er Mathematik an der Universität Osnabrück. Die prämierte Arbeit fertigte er am Fachbereich Mathematik und Informatik unter der Betreuung von Herrn Peter Brucker an. Wichtige Voraussetzung für die Anfertigung der Arbeit waren Kenntnisse in der Scheduling-Theorie und der Informatik.

Gegenstand der Arbeit ist das Job-Shop Problem mit identischen Transportrobotern. Dieses stellt eine Erweiterung des klassischen Job-Shop Problems dar. Das klassische Job-Shop Problem besteht darin, eine Menge von Jobs auf verschiedenen Maschinen zu bearbeiten. Dabei besitzt jeder Job eine individuelle Maschinenfolge sowie spezifische Bearbeitungsdauern auf den Maschinen. Ziel der Planung ist es, die Zeitspanne, die für die Bearbeitung aller Jobs benötigt wird, zu minimieren. Bei der von Herrn Strotmann betrachteten Erweiterung des Problems wird für die Beförderung eines Jobs zwischen zwei Maschinen jeweils ein Transportroboter benötigt, wobei die Anzahl der insgesamt zur Verfügung stehenden Transportroboter begrenzt ist. Grundlage des behandelten Problems sind die Arbeiten von Knust von der Universität Osnabrück, in denen nur ein Transportroboter angenommen wird. Zur Lösung des Problems setzt Herr Strotmann die Tabusuche ein. Die Tabusuche ist ein spezielles lokales Suchverfahren, bei dem der Lösungsraum auf der Grundlage der Nachbarschaftsstrukturen durchsucht wird. Schwerpunkt der Arbeit ist die Entwicklung guter Nachbarschaften. Dabei verwendet Herr Strotmann aktuelle Ergebnisse von Mastrolilli und Gambardella vom Institut für künstliche Intelligenz in Lugano. Es gelingt Herrn Strotmann, für einige der entwickelten Nachbarschaften spezielle Zusammenhangseigenschaften zu zeigen, ein gleichermaßen wichtiges und interessantes Ergebnis. Zudem kann Herr Strotmann für das Spezialproblem mit einem Transportroboter die Ergebnisse von Knust teilweise verbessern.

Die dritte Arbeit wurde von Herrn Franz Zehner angefertigt. Sie trägt den Titel »Entwicklung mittelfristiger Planungsverfahren für die diskontinuierliche Chemikalienproduktion in Kampagnen«. Herr Zehner wurde 1973 in München geboren und schloß dort seine Schulzeit mit der Hochschulreife ab. Anschließend studierte er Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe u. a. mit dem Schwerpunkt Operations Research. Die prämierte Diplomarbeit fertigte er am Institut für Wirtschaftstheorie und Operations Research unter der Betreuung von Herrn Klaus Neumann und Herrn Norbert Trautmann an. Wichtige Voraussetzung für die Arbeit waren Kenntnisse in Operations Research, Informatik und Statistik.

Gegenstand der Untersuchung ist die Produktion innerhalb des Geschäftsbereichs Chemikalien eines Chemiekonzerns. Von den insgesamt 12 eigenständigen Produktionsbereichen des Geschäftsbereichs werden in der Arbeit zwei Bereiche untersucht. Ziel der Arbeit ist es, Modelle und Verfahren für die mittelfristige Produktionsplanung der beiden Bereiche zu entwickeln. Dabei werden die Bereiche zunächst einzeln betrachtet und anschießend wird eine Koordination beider Bereiche berücksichtigt. Grundlage der Forschung von Herrn Zehner bilden u.a. die Arbeiten von Pantelides am Imperial College in London sowie von Kallrath von der BASF AG in Ludwigshafen. Für die Planung der individuellen Produktionsbereiche stellt Herr Zehner gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle auf, wobei zur Reduzierung des Problems für jedes Produkt zunächst nur eine Prozeßvariante berücksichtigt wird. Anschließend wird mit Hilfe einer iterativen Optimierung und Modellerweiterung um zusätzliche Prozeßvarianten versucht, die Produktionspläne zu verbessern. Die Koordination der Produktionspläne findet anhand eines bereichsübergreifenden Modells statt, das die Produkte sowie deren Vor- und Folgeprodukte berücksichtigt, die zwischen den Bereichen ausgetauscht werden. Mittels einer Heuristik wird versucht, die Bereichsziele im Hinblick auf das Unternehmensziel abzuwägen und zu verbessern. Mit den von Herrn Zehner entwickelten Modellen und Methoden wird eine verbesserte mittelfristigen Produktionsplanung realisiert. Dabei erweist sich die dynamische Auswahl der Prozeßvarianten zur Handhabung der Problemgröße bereits eines Bereichs als besonders erfolgreich. Darüber hinaus ermöglicht das Koordinationsmodell die Abbildung sowie Berücksichtigung der Interdependenzen der Produktionsbereiche.